AM24 – Brief an Walter Gropius
Toblach, Dienstag, 23. August 1910
[Postskriptum:] Meine Feder will nicht, so muss ein Blei[stift] wollen.
Dienstag
Mein Lieb
Tausend Dank für die Briefe. Ich konnte und kann noch immer nicht antworten, weil alle nach der Reihe bei uns krank waren – und sind. Miss – dieses Schaf – gieng tagelang mit Angina herum[,] ohne es zu sagen[,] und hat das ganze Haus versäucht [!]: Unser Freund[,] der Arzt (den Du sahst)[,] der Halsarzt ist – fürchtete für Diphterie[,] und als nach 2 Tagen zu fiebern begann – hatten wir die größte Angst. Sie war – Gott sei Dank – bald fertig, aber fing gestern früh an und hatte heute Nacht
einen Kollaps – dass und ich von 3h ab – die ganze Nacht um ihn waren – und fast das Ärgste fürchteten. Es war eine furchtbare Nacht. Wir gehen alle ganz betrübt heute herum – er hat starke Schmerzen – aber ich hoffe – es kommt nicht mehr so arg. – Ich bitte Dich, schick uns den Artikel aus der Zukunft zur Erheiterung. –
Sonst ist alles beim Alten.
Ich liebe Dich[.]
[Postskriptum:] Schreibe! Schreibe!
Apparat
Überlieferung
, .
Quellenbeschreibung
1 Bl. (2 b. S.) – Briefpapier.
Beilagen
Umschlag, , – NEUBABELSBERG | BEi BERLiN | STAHNSDORFERSTR. 83 | HERRN WALTER GROPiUS (in blauem Buntstift, kalligraphische Schrift); PSt. (lt. , S. 531, Nr. 112): TO[BLACH] [2] | [Tag] | [Monat] | [Uhrzeit] | [Jahr] | c; von WG mit einer 11 versehen (Zur Nummerierung von Alma Mahlers Briefumschlägen); fremdschr. Datierungsversuch nach Übergabe an : „[23.8.1910]“. Beide Briefmarken fehlen, daher Stempel unvollständig, darunter Porto-Angabe von AM wahrscheinlich als Information für einen Boten: 10 [Heller]. Daneben roter Aufkleber: „Durch Eilboten. Exprès.“ und wahrscheinlich von der Post in rotem Buntstift notierte „25“ als die vom Empfänger einzuziehende Summe in deutscher Währung: „Die Expreßgebühr (30h[eller])“ (, S. 663) entsprach damals gerundet 25 Pfennigen. AM23 und AM24 wurden in einem Umschlag versendet.
Druck
, S. 113, bei Anm. 93, , S. 47, bei Anm. 138 (jeweils Auszüge); , S. 109, bei Anm. 120 (Auszug); , S. 883, bei Anm. 270 (Auszug in engl., teils fehlerhafter Übersetzung) und bei Anm. 272 (Auszug in engl. Übersetzung).
Korrespondenzstellen
Antwort auf WG48 vom 20. oder 21. August 1910 (Zukunftsartikel): Ich bitte Dich, schick uns den Artikel aus der Zukunft zur Erheiterung. Beantwortet durch WG53 vom frühestens 24. August 1910 (Wie mag es bei Euch gehn. […] Es muß Dir in jener Nacht an G[ustav]s Bett viel\es/ klar geworden sein): Gustav fing gestern früh an und hatte heute Nacht einen Kollaps […]. Es war eine furchtbare Nacht.
Datierung
Poststempel: Aufgrund der beiden abgelösten Briefmarken sind fast alle Teile der Poststempel nicht erhalten.
Schreibdatum: „[23.8.1910]“ (, S. 113, Anm. 93, , S. 47, Anm. 138 und S. 309), Übernahme dieser Datierung bei , S. 883, Anm. 270 und 272, „[23.8.1910]“ (, S. 109, Anm. 120).
WGs Briefnummerierung folgend, entstand der vorliegende Brief AM24 am Dienstag, den 23. August 1910 im Anschluss an AM22 vom 19. August. Nach ungewohnt langer Zeit sollte WG per „Eilboten“ (Vermerk auf dem Umschlag) eine schlechte Nachricht erhalten: habe heute Nacht einen Kollaps erlitten (AM24). datierte 2008 den Kollaps irrtümlich auf die Nacht vom 21. auf den 22. August (S. 883, Anm. 270). Am 24. August gab AM Entwarnung: Gustav ist heute besser – er fährt wahrscheinlich morgen nach München (AM25). Tatsächlich sollte aber stattdessen eine Reise zu antreten, um sich von diesem wegen seiner Ehekrise behandeln zu lassen (Gustav ist gestern Mittag nach Leyden gereist, AM26 vom 27. August 1910).
Übertragung/Mitarbeit
(Marie Apitz)
(Elke Steinhauser)
Blei[stift] – bezieht sich wahrscheinlich auf die mit blauem Buntstift geschriebene Adresse auf dem Umschlag.
Miss Maude – , Kindermädchen von .
Unser Freund[,] der Arzt (den Du sahst) – vgl. Erinnerungen: „einen ärztlichen Freund, der in Schluderbach wohnte“ (, S. 217) und den während seines Aufenthalts in Toblach gesehen haben musste.
Kollaps – vgl. Erinnerungen: „[…] fand ihn ohnmächtig neben der brennenden Kerze. Ich trug ihn ins Bett, rief meine , schickte den Diener mit dem Rad um den Arzt […] und gab unterdessen alles, was an Herzstärkendem im Hause war“ (, S. 217). Durch einen angeborenen Herzklappenfehler war bereits geschwächt.
Artikel aus der Zukunft – darin die besonders hervorstechenden Worte zu 50. Geburtstag: „In der Geschichte des deutschen Theaters ist etwas ganz Einziges, das kein Beispiel hat. hat versucht, ein großes Theater unbedingt künstlerisch zu leiten. […] Nur dieser grenzenlosen Unschuld eines ganz weltblinden, allein durch seinen heiligen Wahn gelenkten Menschen hat es glücken können, jahrelang das kaiserlich königliche Hofoperntheater in Wien zu leiten, als wären wir in Athen zur großen tragischen Zeit“ (, S. 258; s. Reaktion in WG49 vom 21. oder 22. August 1910).